Der Coach als Sparringspartner

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Wie sich Führungskräfte effektiv unterstützen lassen.

Die Praxis des Coachings in Unternehmen entwickelt sich rasant. Wie kann Führung als praktische Leadership in einer agilen, weitgehend hierarchiefreien Organisation aussehen? Es könnte variabler und flexibler als bisher werden. Sich alle paar Wochen für zwei Stunden zu sehen und ein paar Mails zu wechseln, reicht vielleicht nicht mehr aus. Der oder die Coachee braucht eine externe Ressource, aus der sie oder er schöpfen kann – zu regelmäßigen oder für eine bestimmte Phase fest vereinbarten Zeiten.

Coaching kann zum Beispiel zum „Sparring“ werden. Der Begriff stammt aus dem Boxsport und bezeichnet die Simulation eines Wettkampfes mit dem Ziel, spezielle Fähigkeiten des Sportlers zu trainieren und ihn so für den „echten“ Wettkampf fit zu machen. Dazu stellt sich der Sparringspartner zur Verfügung.

Der Wert des Sparrings besteht also in der Simulation, die den Übenden zwingt zu improvisieren, unter Druck zu denken und so in einen Modus des „Probehandelns“ zu kommen. Ein wichtiger Fokus liegt auf dem Umgang mit Emotionen. Das lässt sich gut für den Coachingbereich nutzen. Dort zielt Sparring auf den Schwerpunkt Aktualität (Aktionscoaching), auf die Verfügbarkeit des Coachs (Telefon-Hotline) und auf Operationalisierbarkeit (konkrete Maßnahmen). Der Coach als Sparringspartner nutzt Kreativtechniken, konfrontatives Feedback, zirkuläres Fragen, die Szenario-Technik und Elemente der lösungsorientierten Beratung – Techniken, die durchaus in die Toolbox eines Profis gehören.

Führungskräfte als Sparringspartner Coachen

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Blick zurück nach vorn

Sparring passt gut, wenn Manager und Führungskräfte wenig Zeit haben. Sie sind oft wenig zu konkreter Vor- und Nachbereitung für eine Coaching-Sitzung

bereit. Voraussetzung ist, dass sich Coach und Coachee persönlich kennen und eine gute Arbeitsbeziehung pflegen. Und dass die Arbeitsmodalitäten klar festgelegt werden.

In Coaching- wie in Sparringprozessen geht es darum, ausgehend von der aktuellen Situation, zunächst zurückzublicken, um dann in die Zukunft zu schauen. Der Coach stellt sich als Katalysator und Geburtshelfer neuer Denkansätze und Lösungswege zur Verfügung, als diskreter, neutraler und zugleich auch unbequemer Gesprächspartner. Die wichtige Unterscheidung zwischen „Reflexionscoaching“ und „Aktionscoaching“ bleibt auch im kurztaktigen Sparring erhalten:

Reflexions-CoachingAktions-Coaching
Analyse und Verstehen
der Realität
Blick nach vorne – Zukunft
Aufdecken von GlaubenssätzenEntwickeln von Konzepten
und Szenarien
Gegenwart – Vergangenheit
Operationalisierbarkeit
Kennenlernen und Erproben
neuer Denkmuster
Aktionspläne,
To-do-Liste
sowie von Tools
und Modellen
Erarbeitung von Leitfäden
für das Handeln

Im Sparring liegt der Schwerpunkt in der Regel auf dem „Aktionscoaching“. Die Frage lautet: Wie kann das im Alltag angesichts der knappen Zeit geschehen?

Der heiße Draht

Gibt es im Unternehmensalltag plötzlich einen akuten Coachingbedarf, ist es selten möglich, dass Coach und Coachee sich sofort oder am Folgetag treffen. Also dann, wenn gerade ein wichtiges Meeting aus dem Ruder läuft, der Chef „tobt“, ein Geschäftspartner auf seiner Position beharrt oder ein wichtiger Mitarbeiter mit privaten Sorgen kommt. Ein Briefing per Mail wäre zu umständlich und im Detail auch missverständlich.

Es bewährt sich im Sparring, in wichtigen Projektphasen, vor den Jahresgesprächen oder in Krisen und bei besonderen Herausforderungen, täglich zu telefonieren, um den Coachee effektiv zu unterstützen. Dafür sind „Spielregeln“ sinnvoll:

  • Vereinbaren Sie eine begrenzte Phase täglicher Telefonate (z. B. für eine Arbeitswoche)
  • Vereinbaren Sie möglichst eine regelmäßige Tageszeit (z. B. abends 19:30 Uhr)
  • Begrenzen Sie die Telefonate (z. B. auf 15 Minuten). Ausnahmen sind erlaubt.
  • Fokussieren Sie das Telefonat auf eine Fragestellung (die der Coachee zu formulieren hat)!
  • Gegebenenfalls dokumentiert der Coachee die Ergebnisse, Ideen und Maßnahmen (per Mail)!

 

Führungskräfte-coaching-Maas-Magazin
Quelle: Praxis Kommunikation Q4 | 2017

Beispiele

Der Abteilungsleiter M. soll zwei Fachbereiche zusammenführen und künftig leiten. Hierzu wird im Unternehmen ein „Transition-Project“ aufgesetzt. Für die Woche vor dem geplanten zweitägigen Workshop vereinbart M. mit seinem Coach tägliche Sparring-Telefonate von je 15 Minuten. Dabei sprechen beide die Vorgehensweisen in der Vorbereitung, für die Moderation und für den Teamprozess durch. Für den Abend des ersten Workshop-Tages planen sie ein 30-minütiges Telefonat ein. So geht der Coachee gut gerüstet in den zweiten Tag der Veranstaltung. An den Folgetagen wird die Telefonfrequenz wieder reduziert. Die Geschäftsführerin S. eines Wohlfahrtsverbandes ist mit ihrem Stellvertreter uneins über die weitere Strategie. Sie fühlt sich verunsichert, weil sie im Leitungskreis viele Sorgen und Bedenken wahrgenommen hat. Es wird ein Coaching-Tag vereinbart, anschlie- ßend zunächst drei Tage mit abendlichen Telefonaten von 20 Minuten Dauer, in der Folgewoche nochmals drei Tage mit Sparring-Telefonaten morgens um 8:30 Uhr. Gegenstand der Telefonate sind Klärungsgespräche mit dem Stellvertreter, ein weiteres Team-Meeting sowie die Abstimmung mit dem Verwaltungsrat. Zur Sprache kommen auch persönliche Ängste und deren Hintergründe. Die Ergebnisse werden dokumentiert und per Mail abgeglichen.

Sparring sollte flexibel sein und sehr nah am Geschehen bleiben. Die Ergebnisse müssen ohne Umstände umsetzbar sein. Nicht nur der Coach, sondern – bei aller Unlust für „Hausaufgaben“ – auch der Coachee sollte sich gut auf die Telefonate vorbereiten.

Sparring kann nicht alles

Natürlich gibt es persönliche Themen, die nicht unbedingt am Telefon, sondern nach wie vor am besten in einem Präsenz-Gespräch bearbeitet werden. Besonders betrifft dies tiefer liegende Fragen zur Persönlichkeit. Für Sparring-Telefonate eignen sich solche Fragen:

  • operative Kommunikation
  • akute Entscheidungen
  • „erste Hilfe“ (Interventionen) bei akuten Konflikten

Im Sparring verschiebt sich die Gewichtung der Kommunikationskanäle Präsenz–Mail–Telefon stark Richtung Telefon. Dies setzt gute Konzentrationsfähigkeit beider Gesprächspartner, eine störungsfreie Umgebung und einen Fokus auf Interview-Formate voraus. Gutes Zeitmanagement und Terminverbindlichkeit sind ebenfalls hilfreich und wichtig.

Ihr
Wernfried Hübschmann

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